Wie Gesetze und Politikverdrossenheit entstehen


Jäger mit geschossenem Fasan

Bild: Fotolia glebchik

Die neue Gesetzesvorlage zum Naturschutzgesetz ist ein wunderbares Beispiel dafür, nach welchen Mechanismen die Gesetzgebung in westlichen Demokratien funktioniert. Der Bürgerauftrag und die Idee des Naturschutzes ist, unsere Umwelt in einem für alle, also Mensch und Tier, gesundem Zustand zu erhalten.

Statt Naturschutz, Schutz der Lobbyinteressen

Das neue Naturschutzgesetz erreicht das nicht, dafür kann man daraus hervorragend die Mechanismen einer Lobbykratie ablesen, denn es versucht in fein verklausulierter Form, allen Interessensverbänden gerecht zu werden und verliert dabei das eigentliche Ziel aus den Augen. Statt Tierleid zu vermeiden und Artenschutz zu fördern, gibt es für jede Form der kommerziellen Naturnutzung Ausnahmeregelungen. Land- und Forstwirtschaft, Jagd und Fischerei, sie alle können zum Teil sogar nun noch leichter und im großen Stil unsere Natur und die darin lebenden Tiere ausbeuten. Wenn wir jedoch weiterhin die Natur und ihre Geschöpfe als reine Produktionsmittel ausbeuten, führt das zwangsläufig zu den Missständen, die wir aus der Massentierhaltung und der Großlandwirtschaft mit Monokulturfeldern kennen. So lange hier die ungebremste Marktwirtschaft regiert, werden diese Produktionsmethoden immer effizienter und somit wirtschaftlicher sein als ökologische und tierschützende Verfahren. Der naive Glaube, das Gewissen von Bauern und Verbrauchern würde der nachhaltigen Landwirtschaft zum Durchbruch verhelfen, ist ein Irrtum. Zwar wächst hierzulande der Zweig der Ökolandwirtschaft deutlich, dennoch wird er auch langfristig nur einen Bruchteil der gesamten Lebensmittelproduktion ausmachen, gerade in Zeiten, in denen die soziale Schere immer weiter aufgeht und sich die Mehrzahl der Bevölkerung nachhaltig produzierte Lebensmittel schlichtweg nicht leisten kann.

Töten erlaubt, Forschung behindert

Und auch die über 380.000 Jäger in Deutschland (die Postbank hat lediglich 300.000 Kunden) haben in erster Linie nicht wirklich den Naturschutz im Auge, sondern wohl eher das Jagdvergnügen – was nebenbei bemerkt ein vollkommen natürliches Bedürfnis der Gattung Mensch ist. Stolz verkündet der Jagdverband, dass 2015 ein neuer Jägerrekord mit 20 Prozent mehr Jägern als direkt nach der Wiedervereinigung erreicht wurde. Bei einem weltweiten Rückgang der Wirbeltiere um 60 Prozent in etwa der gleichen Zeitspanne ist das wohl kaum mit einem steigenden Bedarf an Jägern zu erklären. Natürlich kommt der Gesetzesgeber auch dieser traditionell sehr einflussreichen Interessensgemeinschaft großzügig entgegen. Krähen stehen beispielsweise ganz oben auf der Liste der schützenswerten Vögel, da sie zu den Singvögeln gehören. Der Zologe Josef Reichholf beklagt in seinem Buch “Rabenschwarze Intelligenz”, dass Forscher Krähen nicht mehr mit der Hand aufziehen dürfen, um ihre Intelligenz und ihr Sozialverhalten erforschen zu können und deshalb nun nach Österreich ausweichen müssen. Jäger hingegen dürfen – natürlich mit der entsprechenden Ausnahmegenehmigung – diese schützenswerten Tiere jedoch im großen Stil abschießen.

Käfer anfassen verboten

Wenn aber das Gesetz so großzügig allen Lobbyverbänden entgegenkommt, muss es natürlich auch den Naturschützern ein paar Zugeständnisse machen, aber natürlich nur da, wo es den anderen Interessensverbänden nicht wehtut. Also werden völlig abstruse Verschärfungen, die weder den Tieren noch der Bevölkerung etwas bringen, in das Gesetz mit aufgenommen. Die Welt schreibt empört “Jetzt darf man nicht einmal mehr Käfer anfassen” und “So dürfen ohne naturschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung keine Federn von Vögeln auf- oder gar mitgenommen werden. Die Amsel- oder Spatzenfeder im Garten bleibt ‘geschützt’.”

 

Wahlhilfe für Populisten

Somit glaubt der Gesetzgeber, allen Interessensgemeinschaften ein bisschen gerecht geworden zu sein. Dumm nur, dass er damit seinen Auftraggebern, nämlich den Wählern, in keinster Weise gerecht geworden ist. So verwundert es kaum, dass dieses immer stärker gelebte Prinzip, der von Lobbyinteressen geprägten Gesetzgebung, der Politikverdrossenheit und den Populisten in der gesamten westlichen Welt massiven Vorschub leistet.